Im Rahmen ihrer Naturerlebnis-Tipps stellt Biologin Stefanie Barzen von der Natur-Schule Grund die häufige und weitverbreitete Gewöhnliche Mauerflechte, Lecanora muralis, vor.
Die Art wurde von der BLAM, der Bryologisch-Lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa, zur Flechte des Jahres 2021 gewählt. Zum besseren Verständnis: Bryologie bezeichnet die Mooskunde, Lichenologie die Flechtenkunde.
Nach Art der Flechten lebt auch hier eine Alge mit einem Pilz zusammen. Für die Form der Flechte ist der Pilz verantwortlich; unter dem Geflecht aus Pilzfäden lebt die jeweilige Alge, hier die Gattung Trebouxia. Sie enthält Chlorophyll und kann Photosynthese betreiben, also mit Hilfe von Kohlendioxid, Wasser und Sonnenenergie Kohlenhydrate herstellen, während der Pilz für eine bessere Versorgung mit Wasser und Mineralien sorgt. Trebouxia kann unterschiedliche Pilze bewirten, was dann jeweils unterschiedliche Flechten zur Folge hat. Die Gattung ist an sehr vielen einheimischen Flechtenarten beteiligt.
Mauerflechten schaden dem Untergrund nicht
Nach der Art ihres Wachstums gehört die Mauerflechte zu den Krustenflechten. Sie bildet eine hell olivfarbene bis blassgraue Rosette von bis zu zehn, maximal sogar zwanzig Zentimetern Durchmesser. Dieses „Lager“ zeigt nach außen einen etwa einen Millimeter großen, unregelmäßig lappig geformten Rand. Das Innere des Lagers ist voll mit Fruchtkörpern, den Apothecien, die wie kleine, braune Scheiben mit hellem Rand aussehen. Sie haben einen Durchmesser von etwa 1,5 mm und bilden und entlassen die elliptisch geformten, hellen bis farblosen, maximal 15×7 Mikrometer großen Pilzsporen (Ascosporen). Ältere Lager können in der Mitte auch abgestorben sein. Mit „Lager“ wird eine Wuchsform bezeichnet, ein Thallus, also ein Vegetationskörper, der nicht in Sprossachse, Blatt und Wurzel unterteilt ist.
Die Pilzsporen haben offenbar kein Problem damit, in ihrer Umwelt einen geeigneten Algenpartner zu finden, um mit diesem wiederum eine Flechte bilden zu können.
Die Mauerflechte wächst epilithisch, eng an den Untergrund geschmiegt, vor allem auf Gestein, wie Kieselsteinen oder Fels, das silikat- oder kalkhaltig sein darf. In Menschennähe bevorzugt sie Waschbeton, Asphalt, Mauern, Grabsteine, Ziegel, Pflaster, Gehwegplatten oder auch Pfosten. Die Flechte ist unempfindlich gegen Trockenheit und Schadstoffe, braucht Licht und Nährstoffe, gerne auch aus der Landwirtschaft oder aus Hinterlassenschaften von Vögeln; auch eine gelegentliche Überschwemmung schadet ihr nicht. Ihre extreme Widerstandskraft und ihre Anforderungen an den Lebensraum sollten ihr, bei zunehmender Trockenheit und Klimaerwärmung, eine rosige Zukunft bescheren.
Die Mauerflechte enthält zytostatisch, antioxidativ und antimikrobiell wirksame Inhaltsstoffe, unter anderem Usninsäure. Diese wirkt antibiotisch und wird eingesetzt gegen Hautinfektionen, Schuppen und Atemwegserkrankungen. Geforscht wird hierzu an der TU Berlin.
Die Mauerflechte, die am Untergrund nur haftet und ihm nicht schadet, wächst mit ein bis drei Millimeter im Jahr sehr langsam. Da könnte man ja mal hochrechnen, wie lange sie sich auf dem Waschbeton schon breit macht…
Übrigens: der englische Name der Flechte ist „chewing-gum lichen“, da sie einem flach getretenen Kaugummi ähnlich sieht.
Vorteil: sie klebt nicht an der Schuhsohle…
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