Besuch einer Probe der Lüttringhauser Volksbühne vom Stück „Sechs Richtige für Nepomuk“.
„Was machst Du denn hier?“, begrüßt mich Holger Gutacker kurz hinter dem Ludwig-Steil-Platz, als ich auf dem Weg zu einer Bühnenprobe der Lüttringhauser Volksbühne bin. Holger gehört zu den fünf neuen Mitspielenden des Ensembles. Er nimmt mich gleich mit hinter die Kulissen und führt mich direkt durch Nepomuk Knallgans‘ Gasthof auf die Außenbühne. Überall herrscht entweder geschäftiges Treiben oder herzliches Töttern. Udo Leonhardt, der Spielleiter, steht etwas abseits und spricht mit der lokalen Printpresse, Frau Naber besucht die Probe auch.
Christian Wüster, der 1. Vorsitzende, begrüßt mich fröhlich: „Möchtest Du ein Bier?“ Ich wohne ja in der unmittelbaren Nachbarschaft des Heimatspielgeländes, besuche alljährlich die Bergischen Heimatspiele und schätze Christian auch als Freund und Nachbar, also sag ich natürlich ja und mache es mir bequem.
Die Bänke sind komplett neu. Die Stadt Remscheid hat die ruhige Pandemiezeit genutzt, und das Spielgelände auf Vordermann gebracht. „Ich bin da bei unserem Kulturdezernenten Sven Wiertz tatsächlich offene Türen eingerannt“, sagt Kultur-Neulobbyist Wüster und freut sich schon wieder. Überhaupt – die gesamte Stimmung auf dem Bühnengelände ist ausgesprochen fröhlich und herzlich. „Es war schon so ein tolles Gefühl, als wir in unseren Proberäumen endlich mal wieder von Angesicht zu Angesicht proben konnten, nach dieser schier endlosen Zeit der Enthaltsamkeit.“ Und jetzt stehen nicht nur die Kulissen wieder, auch die Menschen sind auf die Heimatbühne zurückgekehrt. Leider nicht alle. Vier Vereinsmitglieder, drei noch bis zuletzt aktiv schauspielernd, sind während der zweijährigen Spielpause verstorben: Willi, Marc, Rolf und Christel. Im neuen Programmheft wird ihrer mit Fotos gedacht.
Udo Leonhardt begibt sich langsam zu seinem Stuhl, gleich geht es wohl los. Kurze Besprechung mit Christian Wüster, alles okay, dann grüßt der Spielleiter herzlich in die Runde und stellt Frau Naber und mich den Anwesenden kurz vor.
Es ist 1930 in einem Dorf im Bergischen Land. Die Geschäftsleute im Ort halten sich mehr schlecht als recht über Wasser. Da kommt das jährliche Hahneköppen als Ablenkung sehr recht: Es lockt ein Gewinn von 100.000 Reichsmark, die sich die gewiefte Wirtsfrau gern unter den Nagel reißen würde. Aber auch der österreichische Militär Ferdinand Poltbacher, der im Gasthof residiert, spielt sein eigenes Spiel: Er möchte die Jugend des Ortes für seine „Bewegung“ begeistern…
Dann legen sie los. Das eben noch fröhliche Gewusel an Menschen löst sich auf. Zielsicher werden Positionen auf der Bühne eingenommen, in den Kulissen oder auf den Zuschauerbänken. Sabrina Ottersbach und Sebastian Stein spielen das Ehepaar Knallgans, Wirtsleute. Die resolute Thusnelda Knallgans hat ihrem Nepomuk gegenüber eindeutig die Hosen an.
Brigitte Grote sitzt als Souffleuse mit auf der Bühne, doch ihre Einsätze bleiben rar. Vereinzelt sieht man zwar noch Texthefte auf der Bühne und in den Kulissen, aber immer nur, wenn die Schauspielenden gerade ohne Einsatz sind. Ablesen braucht hier schon niemand mehr.
„Spielen wir gleich durch, oder…?“, fragt Thusnelda, also Sabrina, von der Bühne. „Ja, gleich durch“, verfügt der Spielleiter nach kurzem Blick- und Nickkontakt mit Jenni Kroll, die ebenfalls für die Thusnelda Knallgans besetzt ist. „Wir haben fast alle Rollen doppelt vergeben“, klärt Christian Wüster auf, „wir wissen ja nicht wie sich das mit Corona jetzt noch entwickelt, da wollten wir einfach auf Nummer Sicher gehen.“
„Mit einem Eierlikörchen ist es da drin nicht getan, da brauch ich schon eine ganze Flasche!“
Thusnelda Knallgans, Wirtin
Die Proben laufen flüssig, auch ohne Kostüme sieht es schon aus wie Theater und fühlt sich auch so an. Wohin mit den Requisiten? „Soll ich das mitnehmen oder hier liegen lassen?“, fragt Sabrina. „Leg es doch unter die Tischdecke“, wirft Jenni ein. „Lass es einfach liegen, aber obendrauf“, weist der Spielleiter an. Schließlich muss der nächste Schauspieler die Unterlagen ja sehen können. „Halt!“, wirft Udo Leonhardt ein, „Tretet bitte in einer anderen Reihenfolge aus der Hütte, Manfred zuerst, dann sieht er die Unterlagen da direkt offen auf dem Tisch liegen, und Guido und Sebastian kommt dann einfach hinterher. Dann geht alle nochmal rein, jetzt nochmal richtig.“ Jetzt ist die Szene rund.
Christian Wüster spielt den Wiener Militär Ferdinand Poltbacher, einen übergriffigen, hinterfotzigen, überheblichen Zeitgenossen der Zwietracht säen will. Ein Paradebeispiel für einen Unsympathen, als die Glocken der evangelischen Kirche überraschend einsetzen, minutenlang. Die Probe wird unterbrochen.
Das fröhliche Gewusel vom Beginn ist zurück und Wüster streift seine Rolle flugs ab und setzt sich zu mir auf die Bank. „Bist Du ein fieser Schmierlappen!“, entfährt es mir. Wüster grinst, „Ja, woll?“ Wir stoßen an. Mein Bier ist leer, ich verabschiede mich, den Rest des Stücks hebe ich mir für die Premiere auf, die am Samstag, 4. Juni 2022 ab 16 Uhr auf dem Heimatspielgelände (Navi: Ludwig-Steil-Platz, 42899 Remscheid) aufgeführt wird. War ich vor der Probe neugierig, fiebere ich der weiteren Entwicklung aufgeregt entgegen. Meine Empfehlung: Hingehen und anschauen!
Spieltermine
- 4. und 5. Juni 2022 ab 16 Uhr
- 11 und 12. Juni 2022 ab 16 Uhr
- Fronleichnam, 16. Juni 2022 ab 16 Uhr
- 18. und 19. Juni 2022 ab 16 Uhr
- Zugabe: 11. September 2022 im Teo Otto Theater
Karten für die Freilichtbühne sind ausschließlich am Spieltag vor Ort (Ludwig-Steil-Platz, 42899 Remscheid) an der Kasse des Heimatbühnengeländes erhältlich.